Hallo ihr Lieben zu Hause,
heute ging es von Duqm weiter nach Al Ashkharah. Für unterwegs hatten wir uns am Vorabend zwei Zwischenstopps ausgesucht: Die weißen Dünen von Khaluf und Barr al Hikmann. In Khaluf angekommen, fanden wir den Weg erstmal nicht auf Anhieb und fragten Mitarbeiter eines kleinen Kiosks mit Händen und Füßen nach dem Weg. Über rechts und links war man sich etwas uneinig und so kam, was kommen musste: wir verirrten uns. Gewaltig und mehrfach. Keine weißen Dünen weit und breit, offroad-Strecken zwar befahrbar, aber kein Ziel in Sicht. Auf dem Weg zurück begegneten uns neugierige junge Männer, denen wir mit unserem arabisch Wörterbuch erklären wollten, dass wir Dünen suchen. Da die Kommunikation auch hier schwierig war, stiegen sie kurzer Hand in ihre Autos und fuhren vorweg. Am Eingang zum Strand verabschiedeten sie sich dann von uns, da es ab hier nur noch mit Allrad weiterging. Und so fuhren wir mehrere Kilometer völlig alleine auf einem schier endlos langen, strahlend weißen Strand in Richtung Dünen. Bis da plötzlich Felsen kamen, die uns den Weg versperrten und uns dämmerte, dass die weißen Dünen von hier aus nicht zu erreichen waren. Schade. Ich muss wohl wieder kommen. 🙂
Zurück auf der asphaltierten Straße ging es dann also weiter nach Barr Al Hikmann. Eine Halbinsel von der aus man Masirah Island mit dem Boot erreichen kann. Unser Ziel waren aber die halbe Million Zugvögel, die hier überwintern sollen. Auf der Halbinsel angekommen, erfüllte sich wieder einmal das, was mich hier schon über so manche gescheiterte Tour hinweg getröstet hat: klappt eine Sache nicht, passiert unerwartet eine viel Schönere. So auch diesmal. Kaum am Hafen angekommen, fielen uns die unzähligen Fischerboote auf, die gerade ihren Fang an Land brachten und dabei von tausenden hungrigen Möwen aus nicht mal zwei Metern Höhe beobachtet wurden. Wir konnten uns kaum durch die Menge an Vögeln kämpfen, die praktisch auf Kopfhöhe über uns hinweg flogen. Das war ein Szenario, wie ich es noch nie erlebt oder gesehen habe. Unvergesslich!
Weiter ging es dann parallel zur Hauptstraße auf einer Piste in Richtung Zugvögel. Die Piste verlief zunächst in unmittelbarer Meeresnähe und ließ sich problemlos fahren. Was dann kam, wird zusammen mir dem Stierkampf als das größte Abenteuer meiner Omanreise für immer in Erinnerung bleiben. Innerhalb von wenigen Sekunden verwandelte sich der eben noch sandige Untergrund in sumpfartigen Boden und das Auto ließ sich nicht mehr bewegen. Zuerst denkt man ja noch, “ach, das geht gleich wieder. Halb so schlimm.” und dann realisiert man irgendwann, dass GAR nichts mehr geht und alles MEGA schlimm ist. Da steckten wir also um 16:30 Uhr ca. einen Kilometer abseits einer befahrenen Straße im absoluten Nirgendwo fest. Man wird ja erfinderisch und so überspielten wir die zunehmende Sorge, wie wir da jemals wieder herauskommen sollten, mit kreativen Ideen. Wir sammelten trockene Zweige von Büschen, um den feuchten Untergrund auszutricksen, gruben die Räder mit bloßen Händen aus, legten die Fußmatten unter die Räder und ich probierte immer wieder das Auto aus dem immer tiefer werdenden Schlamm zu bewegen, mit dem Ergebnis, dass sich die Räder nur noch weiter eingruben. Und so wurde uns dann unter der untergehenden Sonne klar, dass wir zur Hauptstraße laufen und irgendwie Hilfe holen mussten. Der Weg zog sich länger, als das Auge uns zunächst vermuten ließ. Auf der Straße angekommen, hielt aber gleich das erste Auto an, als wir mit unseren Armen winkend über den Kopf gestreckt auf die Straße liefen. Die Scheibe des weißen Monstertrucks öffnete sich und ich blickte in die Gesichter zweier Männer aus Dubai, die mich erstmal mit einem “Calm down, it’s ok” zu beruhigen versuchten. Schnell schildere ich das Problem und die Jungs versprachen ihre Hilfe, fuhren in den Fischerort, besorgten Seil und Wasser und stießen nach 15 Minuten zu uns. Allerdings nur in deutlichem Abstand, denn sie erkannten sofort, dass es keine Möglichkeit gab, uns mit einem Abschleppseil zu befreien, da sie sonst selbst versinken würden und so gruben auch sie mit bloßen Händen am Auto herum. Da wir “soft Hands” haben, durften wir nicht beim Graben helfen, nur beim Anschieben.
So verging über eine halbe Stunden mit dem Ergebnis, dass wir ca. 10cm tiefer eingegraben, aber kein Stück weitergekommen waren. Nun offenbarte sich das nächste Problem: die hilfsbereiten Männer mussten die letzte Fähre bekommen und konnten uns nicht weiter helfen. Sie boten uns an, uns im Auto mit nach Shana zu nehmen (der Fischerort in ca.5km Entfernung) und uns da nach Hilfe suchen zu lassen. Da uns – außer im Auto zu schlafen und zu riskieren, nachts von der Flut weggespült zu werden – keine wirkliche Alternative blieb, quetschten wir uns zu fünft ins Auto und die Sorge wuchs. In Shana angekommen, versorgten die beiden uns noch mit Wasser und Essen und verabschiedeten sich schweren Herzen von uns. Alles was uns nun blieb, war Sufyan. Ich schrieb ihm eine ziemlich panische Nachricht und er schickte mir prompt die Telefonnummer der Royal Oman Police. Nun ergaben sich weitere Probleme: Nummer 1: mein Handyakku war fast leer, Nummer 2: meine omanische Simkarte kann keine Anrufe tätigen. Also musste Sufyan die Polizei informieren und Ihnen unser Problem schildern. Da ich – Problem Nummer 3 – meine omanische Telefonnummer nicht im Kopf hatte, konnte die Polizei mich allerdings auch nicht zurückrufen, was dazu führte, dass wir Tankstellen- und Restaurantbesitzer im Umkreis aktivierten, uns ihre Telefone zur Verfügung zu stellen. Inzwischen war es stockdunkel, wir die einzigen Touris weit und breit, zwischen dutzenden vermummten Fischern mit Schlachtermessern in den Händen. Wie skurril das wirklich war, können keine Worte beschreiben. Ca. 1,5 Stunden später traf dann die Polizei ein. Beide Jungs konnten kein englisch, machten aber schnell deutlich, dass sie uns nicht helfen könnten. Plötzlich kam aus dem Nichts ein großer Omani dazu, der irgendwie auch etwas mit der Polizei zu tun hatte und uns 3 in Windeseile auf ihre Autos verteilte, um zur “Unglücksstelle” zu fahren und sich das Drama wenigstens mal anzuschauen. Dank des smarten Dubai-Mannes, war es uns möglich, unser Auto von der Hauptstraße aus zu lokalisieren, denn er empfahl uns, den Warnblinker anzulassen. Und irgendwo dahinten links blinkte es dann in der Pampa. Wir näherten uns in 2 Fahrzeugen der Stelle, an der wir versunken waren bis auf etwa 100 Meter. Dann wurde es zu gefährlich du wir gingen zu Fuß weiter. Die Hände über dem Kopf zusammenschlagend begutachteten sie das Desaster. Dann wurde mit Händen gegraben, das Auto von allen Seiten versucht anzuheben, geschoben und gedrückt, gestartet und wieder aufgegeben, bis dann ca. eine halbe Stunden später das Auto unter kräftigem Drücken und Vollgas im Rückwärtsgang aus der Grube sprang und ich schreiend vor Glück hinter her flog. Was für ein Glücksmoment! Die Luft hatten sie fast vollständig aus den Reifen gelassen und so fuhren Hamid (Polizist Nummer 1) und ich mit ungefähr 5kmh den anderen hinterher zur Tankstelle. Die Fahrt war so unglaublich niedlich, dass sie fast für die stundenlange Tragödie entschädigen konnte. Hamid sprach kein Englisch und ich kein Arabisch und doch schafften wir es, in den 15 Minuten Fahrt ein wunderschönes Gespräch zu führen. Am Ende konnte er die deutschen Zahlen von 1-10, ich wusste, dass er 32 ist, seine Frau Aisha heißt und er 4 Jungs hat und ich weiß nun, was Auge, Nase, Mund, Bart, Hals, Fuß und Hand auf arabisch heißen.
An der Tankstelle angekommen, befüllte die Polizeitruppe unsere Reifen mit Luft und posierte für ein Erinnerungsfoto.
Wenn ich bis zu diesem Tag noch irgendeinen Zweifel hatte, dass die Omanis die tollsten Menschen der Welt sind, so liegt er nun im Sumpf von Shana begraben.
Mitten in der Nacht erreichten wir dann unseren Zielort Al Ashkharah und konnten nicht so richtig fassen, was uns heute passiert war.
Gute Nacht.
Bine
P.s.: Parmaschinken mit Balsamico <3